Oscar Wilde Statue in Dubin

What does it take to be Irish

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Ich habe an anderer Stelle einmal ausgeführt, was einen echten Deutschen auszeichnet, weit verbreitete Vorurteile an der Realität gemessen und gnadenlos entlarvt. Besonders meine irischen Kollegen waren von dem kleinen Pamphlet restlos begeistert, auch wenn sie den hintersinnigen Witz, die Quintessenz deutschen Humors bis heute nicht verstanden haben. Nun ja, genau diesen Punkt wollte ich ursprünglich auch illustrieren. Die Deutschen mögen nicht unbedingt in dem Ruf stehen, doch finde ich persönlich, dass der deutsche Humor einmalig ist.

Was macht nun einen wahren und aufrechten Iren aus? What does it take to be Irish? Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten und um uns der Lösung anzunähern, sollte wir vielleicht erstmal in die tiefe Kiste mit Vorurteilen und Gemeinplätzen greifen. Das ist spaßig und im Idealfall sogar lehrreich.

Wie stellen wir uns vor unserem geistigen Auge einen waschechten Iren bzw. sein weibliches Pendant vor? Zur Erläuterung, ich stelle mir einfach lieber Irinnen vor. Ist so ne Männersache. OK, ohne jetzt irgendjemandem vorgreifen zu wollen, bleich, rothaarig und sommerbesprosst vielleicht?

Vorurteil ist fein

Fein, um dieses unser Vorurteil zu überprüfen habe ich das Wort “Irin” in eine Bildersuchmaschine eingegeben und die ersten 20 Treffer ausgewertet. Nun kann es ja sein, dass die Suchmaschine einfach sch***ße ist, ein wenig überrascht war ich aber schon. Nicht ein einziges rothaariges Wesen in der Top 20, von Sommersprossen ganz zu schweigen. Bleich würde ich die Mehrheit der unter dem Schlagwort “Irin” aufgelisteten Kandidaten auch nicht nennen, das war also nichts.

Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Heilanstalt, versuchen wir es also mit einem etwas präziseren Suchbegriff. Wie wäre es mit Aoife? Wem das nichts sagt, das ist der irischste aller irischen Vornamen und entspricht unserer guten alten Eva. Da außer hier auf Irland wohl niemand Eva als Aoife buchstabieren würde, besteht wohl keinerlei Verwechslungsgefahr. Und so tat ich.

Tatsächlich lieferte Yahoo Bilder unter genanntem Suchbegriff zwei rothaarige Wesen, neben mehrere Blondinen und Brünetten allerdings. Das Ganze klappt also nicht so recht, zumindest wenn wir davon ausgehen, dass Dinge, die nicht in der Suchmaschine sind, auch nicht existieren. Leute, die so etwas glauben nennt man glaube ich Unkologen. Ich hab das gerade mal ge-googelt.

Das Wort existiert bisher anscheinend noch nicht, zu Unrecht wie ich meine. Das Wort ist eine Kreuzung aus Unken und vielleicht noch Ontologe, um den existenzialistischen Ansatz des Ganzen zu untermauern. Mich scheint heute wieder die Muse zu küssen, was ich mir wiederfür feine Wörter ausdenke. Doch zurück zu unserem kleinen Diskurs.

Rote Haare, Sommersprossen

Die Frage war, ob es tatsächlich Iren mit ohne Sommersprossen und roten Haaren gibt? Ich verrate euch ein Geheimnis: Tut es. Ich würde jetzt gern eine meiner irischen Freundinnen als Beweis dieser These nennen, mir ist aber gerade aufgefallen, dass ich deren natürliche Haarfarbe nicht kenne.

Gut mit dem Aussehen klappt es also nicht, versuchen wir es mit ein paar anderen Gemeinplätzen. Die Liste ist natürlich nur vorläufig und entsprechend unvollständig. Ich schreib nur mal auf, was mir spontan so einfällt. Nicht das ich darüber lange nachgedacht hätte. Gar nicht, spontan und ansatzlos aus der Feder floss es mir.

Da wären also: Iren sind erzkatholisch, saufen wie der Leibhaftige, sind unpünktlich, unzuverlässig, chaotisch, miserable Autofahrer, lausige Liebhaber, gierig, haben schlechte Zähne, sind Schwätzer vor dem Herrn und noch einmal gottlose Säufer, rotbäckig, blauäugig, abgebrochene Gartenzwerge die an Feen und Elfen glauben, unordentlich, übergewichtig und um auch mal ein paar nette Vorurteile aufzulisten: nett, freundlich, weltoffen, warmherzig und alle miteinander begnadete Sänger und natürlich gottlose Säufer, nur um das noch einmal zu betonen. Hatte ich schon erwähnt, dass die Iren alle Saufen als wenn Alkohol morgen verboten würde?

Gut.

Dekonstruktivist der ich bin, werde ich die einzelnen Punkte dieser Liste nun der Reihe nach analysieren, ihren Wert eruieren und dann die völlige Haltlosigkeit dieser Ansammlung von grotesken Vorurteilen nicht nur aufzeigen sondern auch empirisch belegen.

Deduktion kommt vor dem Fall

Ich habe mir das alles also sehr gut überlegt und werde nun stil- und zielsicher mit meiner Betrachtung beginnen. Als erstes Beispiel wähle ich den (mittlerweile und schon lange ehemaligen) irischen Premierminister Bertie Ahern (sprich: ahööörn mit langen Ö und kurzem A). Schließlich ist er erster Mann im Staate. (rein technisch natürlich nur der zweite hinter dem Präsidenten.) Der Taoiseach (sprich: Tischok) ist ganz wortwörtlich also der Boss und Anführer), zudem weltbekannt und eine Art Vorzeige-Ire.

Darin gleicht er in gewisser Hinsicht Bono von U2, im Gegensatz zu dem glaubt Bertie allerdings nicht ernsthaft daran, ein Geschenk Gottes an die Menschheit zu sein.

Der Berti

Ich habe mich dem Anlass entsprechend mit der Vita Aherni vertraut gemacht und diese gegen oben geführte, in dieser Form aber geradezu schändliche Liste gelesen. Das Ergebnis überrascht sicherlich niemanden.

Berti hat natürlich keine Sommersprossen, keine roten Haare und keine schlechten Zähne. Er gilt allgemein als sehr umgänglich und weltoffen, ist nachgewiesener Maßen korrupt, wurde trotzdem wiedergewählt. Er ist Studienabbrecher der London School of Economics, ein Freund der Fröhlichen (ein kleiner Euphemismus schadet nie gelle?), Träger des deutschen Bundesverdienstkreuzes am Band oder der Jacke oder der Hose. Im Detail stecke ich bei den Bundesorden nicht. Anscheinend ist Bertie sogar geschieden.

Kurz gesagt ist er ein kontinental daherkommender, freundlich wenn auch nicht über die Maßen begabter Wasser-Prediger und Wein-Säufer. Er ist also ein Politiker Format nd vielleicht ein schlechtes Beispiel in diesem Zusammenhang. Immerhin, das mit den roten Haaren können wir jetzt glaube ich als erledigt betrachten.

Kleiner Nachtrag: Bertie wurde kurz nach der ersten Veröffentlichung dieses Artikels wiedergewählt, musste allerdings zurück treten. Im Zusammenhang mit seinen “Finanzen” gab es etliche Ungereimtheiten und “Erinnerungslücken”. Schade drum, ich mochte ihn wirklich gern und seinen Job hat er ordentlich gemacht. Sonst wäre Irland nicht da, wo es ist. Die Meinung habe ich allerdings ziemlich exklusiv.

Die Suche geht weiter

Ich kenne offen gestanden eine wesentlich größere Anzahl deutscher Hexen äh Rothaarige wollte ich sagen, als irische. Und Glashausbewohner sollen bekanntlich ja auch im Keller poppen oder wie das schöne deutsche Sprichwort sagt: Wer im Schlachthaus sitzt soll nicht mit Schweinen schmeißen. Das Thema ist also erledigt, die Kuh vom Eis oder wie ein bekannter deutscher Sportreporter es einmal formulierte: Der Drops ist gelutscht!

Gut ein, zwei Vorurteile haben wir ja noch abzuhaken. Vielleicht sollte ich mich einfach mal in meinem Freundeskreis umschauen. Im Prinzip sind das ja Iren wie du und ich, oder vielleicht auch nicht, weil du und ich ja höchstwahrscheinlich beide deutsch sind. Grübel, grübel, also eher wie Paddy McManus – wir erinnern uns – der nette Ire von nebenan.

John – Kneipenphilosoph und Buchhändler

Nehmen wir mal meinen Freund John. Der hat uns ja früher schon als Exempel gedient. Ihn arbeitsscheu zu nennen wäre eine Beleidigung der wie ich glaube beachtliche Gruppe arbeitsscheuer Betätigungsverweigerer rund um den Globus.

Über das Stadium “arbeitsscheu” ist John lange hinaus. Er ist fast schon homerisch in dieser Beziehung und das im Sinne des Simpsonschen Homer. Wenn es ginge, würde er sich wahrscheinlich Infusion und Katheter legen lassen, sodass er weder essen noch aufs Klo rennen müsste. Wahrscheinlich würde er dann aber aus seiner Stammkneipe rausfliegen und das ist ein Risiko, dass er niemals eingehen würde.

Ob er handwerklich begabt ist, kann ich nicht beurteilen, es würde mich aber überraschen (siehe Punkt 1). Da er sich bis heute weigert, seine kleine Tochter taufen zu lassen, vermute ich auch, dass er nicht unbedingt zum militanten Arm fanatischer Wochentagskatholiken gehört. Ich gehe sogar soweit, dass – wie soll ich es formulieren – es ihn äußerst peripher tangiert, ob die Sonntagsmesse in Latein oder Englisch (respektive Deutsch) gelesen wird, da diese ohnehin ohne ihn stattfindet.

In Religionsfragen könnte man ihn als desinteressiert, vielleicht sogar ignorant bezeichnen. Und daran wird sich vermutlich wenig ändern, zumindest solange die Messe nicht im Pub gelesen und der Messwein an alle verteilt wird.

Was fällt mir zu John noch so ein? Eine kleine Wampe … könnte man schon so sagen, übertrieben groß ist er auch nicht, er hat garantiert kein Schweigegelübde abgelegt … Was noch? Ich habe ihn glaube ich nie singen hören, kann aber mit Bestimmtheit sagen, dass er einer der begabtesten Kampftrinker ist, mit denen ich jemals die Ehre hatte, ein Gläschen zu leeren.

Vielleicht ist John einfach kein gutes Beispiel. Er ist – und ich möchte das ausdrücklich erwähnen – ein guter Kerl, warmherzig, überdurchschnittlich intelligent und außergewöhnlich belesen, nur eben kein gutes Beispiel wenn es um das Widerlegen haltloser Vorurteile geht.

Stephen – Photograph und Lebenskünstler

Wie wäre es denn mit Stephen? Wenigstens versucht er, kein netter Kerl zu sein. Es klappt nur nicht besonders gut. Ich kaufe ihm die Arschlochnummer jedenfalls nicht ab. Er ist viel zu hilfsbereit und aufmerksam. Ne Wampe hat er nicht, dafür säuft er wie ein Loch. Und ähnlich John ist er ein ganz schlauer und sehr belesen. Außerdem ist er sehr pünktlich.

Immer wenn wir uns in der Kneipe treffen, ist er schon da. Meistens ist er sogar schon leicht angezwitschert. Ob es da einen Zusammenhang gibt? Ich glaube, dass alles in allem auch Stephen kein besonders glücklich gewähltes Beispiel ist. Mit Michael, Peadar und John 2 sieht es auch nicht viel besser aus. Wie wäre es denn mit … ne das ist auch nicht so eine gute Idee.

Vielleicht sollten wir es mal mit den Irinnen probieren. Ein viel dankbareres Thema. Danielle … im Suff vom Dach eines Bungalows gefallen, kein gutes Beispiel. Wie wäre es mit Sharon? Wo ich so darüber nachdenke, eher nicht. Eine tolle Frau aber in diesem Zusammenhang nicht hilfreich. … Laura? Die wäre noch nicht mal ein gutes Beispiel wenn es darum ginge, schlechte Beispiele zu illustrieren …

Ich stelle gerade fest, dass der Großteil meines Bekanntenkreises aus Trümmertussen und Chaoten besteht. Woran liegt das bloß? Ist wahrscheinlich meine soziale Ader. Summa summarum können wir trotzdem aber festhalten, dass dieses Gerücht, Iren hätten alle schlechte Zähne ein ganz Übles ist, nachredender Weise. Wahrscheinlich handelt es sich dabei auch um eine Verwechslung. Die mit den schlechten Zähnen sind nämlich die Schotten; oooch sone Suffköppe.

Stereotypen sind keine Vorurteile

Nachtrag: Nur um es noch einmal klar zu stellen. Wir wollen ja hier keine Missverständnisse aufkommen lassen. Vorurteile sind eine feine Sache und lustig und oft genug charakterisieren sie bestimmte Wesenszüge sehr gut. Das heißt aber nicht, dass man sich an solchen Vorurteilen festhalten soll. Bitte nicht das kleine Augenzwinkern übersehen. Ich liebe Irland und seine Menschen. Das heißt nicht, dass ich nicht spotten darf. Dafür habe ich hier lange genug gelebt.

Die Menschen meiner Wahlheimat sind in der überwiegenden Mehrheit aufgeschlossene, nette Leute, von denen ein gewisser und sicherlich im hohen zweistelligen Bereich liegender Prozentsatz gern mal im Kreise neuer oder alter Freunde, Bekannter oder Verwandter schwätzt und sich ein Pint genehmigt. Wer will es ihnen übel nehmen?

Iren mögen hier und da Chaoten sein, aber das macht sie nicht weniger liebenswert. Dass sie lausige Autofahrer sind, stimmt wirklich, aber wenn die deutsche Führerscheinprüfung aus einem Onlinequiz für Nachtschattengewächse bestände, wären wir auch nicht besser.

Und dass sie in Sachen Pünktlich- und Gründlichkeit einen eher südeuropäischen statt deutschen Ansatz verfolgen, kann ich ihnen nicht krumm nehmen. Ich bin kein Stück besser. Ich habe es geschafft, den Beginn meiner Spätschicht zu verschlafen und die begann seinerzeit um 15.00 Uhr.

Außerdem macht sie ihre “Mach ich’s heut nicht”-Einstellung doch eigentlich erst richtig sympathisch. Recht haben sie. Meiner ganz eigenen Philosophie zufolge, lösen sich die meisten Probleme von ganz allein, wenn man nur lange genug wartet. Und das weiß ich nicht erst seit unser dicker Einheitskanzler A.D. damit angefangen hat!

Um die Eingangsfrage ein für alle mal zu beantworten, “What it takes to be Irish?” Im Prinzip ist es genau dasselbe wie bei einem Deutschen, Franzosen, Italiener, Griechen usw.

Zwei Liebende braucht es, die sich zur rechten Zeit am rechten Platz vereinen und keine Verhüterli benutzen. Der Rest ergibt sich von selbst.

Ich habe gesprochen!