Bevor ihr anfangt zu lesen: Das hier ist kein sachlicher Bericht. Ich bin stinksauer! Es kam wie es kommen musste: Die Kosten des irischen Bankencrash werden auf die Ärmsten abghewälzt. Banker werden geschont und die Vermögenden sowieso. Na toll.
Im Englischen gibt es dieses wundervolle Wort “predictable”. Übersetzt heißt es so viel wie vorhersehbar oder auch berechenbar. Niemand ist gern predictable, weil das hat so eine Konnotation von langweilig. Wer ist schon gern berechenbar. Da könnten sich andere Leute ja drauf einstellen, wenn sie glaubten zu wissen, was ich als Nächstes mache. Nein, das wollen wir wirklich nicht. Und die weisen (zumindest aber weißen) Damen und Herren aus der Dáil Éireann, dem irischen Parlament, wollen das natürlich auch nicht sein; langweilig.
In Anbetracht der größten Krise in der Geschichte der Republik berieten Brian Cowen (so heißt unser Taoiseach, das irischen Pendant zur Bundesangie) und seine zwar nicht notwendigerweise gewählten aber immerhin amtierenden Mitstreiter, wie man aus der momentanen Malaise denn wieder herauskommen könnte. Was damit Vorsehbarkeit zu tun hat? Da komme ich gleich drauf. Fangen wir von vorn an.
Das Problem einer Finanzunion
Mit der Einführung des Euro im Jahre 2002 hatten plötzlich auch kleine Länder wie Griechenland, Portugal und Irland eine superharte Währung und ein paar richtig große Brüder im selben Boot, die Deutschen zum Beispiel. Wenn man so einflussreiche und reiche Freunde hat, da leiht einem dann auch der eher misstrauische Investor richtig dicke Kohle. Es gab also, ganz wie Weihnachten, plötzlich jede Menge Geld. Wenn man ein Leben lang arm gewesen ist, freut einen das und man wirft es mit vollen Händen aus dem Fenster, weil man weiß ja nicht, wie lange der Segen anhält. So tat auch Irland und zwar in Form von staatlich subventioniertem Eigenheimbau. (unter anderem)
Jeder lieh sich immer größere Summen des billigen Geldes um seinen Traum von den eigenen acht Wänden zu verwirklichen. Nur Versager bauen ein Haus, der Ire baut zwei. Weil, da kann er in einem wohnen und das andere vermieten. Auf die Art zahlen die Mieter einem die Hypothek. Klingt erst einmal ja auch nicht doof. Da gibt es aber ein Problem.
Wenn es so einen Boom gibt, da steigen natürlich auch die Preise. Und nicht nur ein bisschen. 2008 kostete eine einfach Kate am Stadtrand halt mal knapp 500.000 Euro. Und die Leute kauften trotzdem, weil machen ja alle so. Dass man bei einem Einkommen von 30.000 Euro im Jahr keinen Kredit von 500.000 Euro bedienen kann, versteht sich eigentlich von selbst, aber man hoffte ja auf die weiter steigenden Immobilienpreise und entsprechend sollte sich das Problem nie stellen.
Der Banker wusste von nichts?
Einer leicht unterbelichteten Hausfrau ohne Job und Schulabschluss kann man derlei Blauäugigkeit vielleicht noch nachsehen, leider steckten hinter dieser Rechnung aber professionelle Banker und Investmentberater und da wird es interessant. Plötzlich kollabierte nämlich der amerikanische Hypothekenmarkt, der auf mindest genauso windigen Finanzierungen basierte und dann auch noch Lehman Brothers. Das Resultat war die gewaltigste Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1929.
Ein ehrlicher Banker hätte sich zu dem Zeitpunkt sicher Sorgen gemacht, derer hatte es allerdings nicht viele: Stattdessen überlegten sich die Oberbanker des Landes, dass man den absehbaren Kollaps der Investmentbanken verhindern könnte, indem man die Verluste sozialisiert. Hinter verschlossenen Türen hauten Sie also der Regierung so richtig doll die Taschen voll und machten denen richtig Angst. In einer Nacht- und Nebelaktion, immerhin wollten ausgewählte Akteure ihr Schäfchen noch schnell ins Trockene bringen, erklärte die Regierung, dass sie für alle Bankschulden gerade stehen würde. Weil man will ja kein zweites Lehmann. Kosten sollte das Ganze ursprünglich gar nichts und wenn dann vielleicht 5 Mrd. Euro.
Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, war das etwas zu konservativ geschätzt. Analysten lästern mittlerweile, dass in Irland ein Großversuch läuft, um zu klären, ob ein einzelnes Kreditinstitut ein ganzes Land in den Ruin treiben kann. Ich mag kein Finanzexperte sein, aber ich sag mal: Es kann.
Ein Land am Rande der Pleite
Knapp zwei Jahre und 35 Milliarden Euro später ist Irland pleite und EU und Weltbank mussten einschreiten. Mittlerweile kursiert eine Zahl von 85 Milliarden und ich bin sicher, dass auch die noch zu kurz gegriffen ist. Nun hört sich das für einen deutschen Steuerzahler zwar nicht soooooo viel an, ihr dürft aber nicht vergessen, dass es in hier in Irland nicht so arg viele Steuerzahler gibt. Außer mir und meinem Kollegen kenne ich eigentlich keinen. Und da sind 85 Milliarden dann schon eine Menge.
Was Irland brauchte, war also ein Umdenken und vielleicht auch ein wenig sparen. In den fetten Jahren wurde halt reichlich verteilt. Soweit stimmen wir auch noch alle über ein, interessant ist nun allerdings, wie man plant zu sparen und da komme ich auf das schöne Wort predictable zurück, oder eher das Gegenteil: unpredictable.
In ihrer Weisheit haben die Herrschenden nämlich beschlossen, zuerst einmal bei sich selbst zu sparen. So verdient Brian Cowen in seinem verbleibenden Monat im Amt – Anfang des Jahres wird gewählt und er wird mit absoluter Sicherheit aus dem Amt gejagt – 30.000 Euro weniger. Das hört sich viel an, muss aber vor dem Hintergrund gesehen werden, dass der Taoiseach dieser gewaltigen Landes früher mehr verdient hat als ein deutscher Bundeskanzler oder auch Präsident der USA. Der Taoiseach dieses 4 Millionen Einwohner Landes geht auch nach der Rosskur noch mit über 200.000 Euro nach Hause.
Die Minister kriegen auch weniger, leben aber immer noch üppig. Das Gehalt für Staatsdiener wird gedeckelt auf, ich glaube, 300.000 Euro, was bisher auch nicht selbstverständlich war.
Am härtesten trifft es die Kleinen
Die Staatsdiener werden auch wieder herangezogen, was diese zwar nervt aber im Endeffekt verdienen sie immer noch überdurchschnittlich gut. Die Taxbasis wird verbreitert (Freibeträge werden drastische gesenkt), zudem müssen sich die Empfänger von staatlichen Hilfen auf magere Zeiten einstellen. Das gilt für Kindergeld, Pflegebeihilfe, Wohngeld usw.
Das hört sich alles erst einmal halbwegs vernünftig an, bis man die Sache mal umrechnet. Da zeichnet sich dann plötzlich ein etwas anderes Bild. Machen wir das mal an einem Beispiel.
Ein Junggeselle mit Haus, Rentenversicherung und ohne Kinder verdient nächstes Jahr etwa 3000 Euro weniger, wenn er ein Jahreseinkommen von 250.000 Euro hat, er verdient 1000 weniger wenn er 40.000 im Jahr verdient, hat effektiv mehr in der Tasche bei einem Einkommen von 30.000 Euro und witd geschröpft, verdient er weniger als das. Interessant dabei, am untersten Ende der Einkommensleider sind das immerhin knapp 800 Euro. Und letzterer hat vermutlich sogar noch weniger, weil der Mindestlohn angesenkt wurde. Wenn man das in Prozent umrechnet, kann einem schon mal schlecht werden.
Da zusätzlich aber auch Kindergeld und staatliche Subventionen beschnitten wurde, ist das noch das freundlichste Szenario.
Ist man verheiratet mit 2 Kindern, die am besten auch noch zur Schule gehen oder man ist blind oder sonst wie behindert, erhält man die Höchststrafe. In einem typischen Szenario verliert der Großverdiener (250.000 Euro im Jahr) nur unwesentlich mehr als ein Arbeiter mit Mindestlohn.
Schont die Reichen …
Die Regierung schont also die reichsten Mitglieder der Gesellschaft, die schon in den Boomzeiten profitiert haben und hackt ordentlich auf den Schwächsten der Schwachen herum. Die Rechnung für die Unfähigkeit und Gier der Banken dürfen also die einfachen Leute bezahlen. Nennt mich naiv, aber in dem Umfang hatte ich damit nicht gerechnet. Mich wundert ernsthaft, dass in Dublin keine Molotow Cocktails fliegen.
Das Schlimmste daran ist ja, dass es nicht helfen wird. Solange die Regierung sich gegen einen geordneten Bankrott der Banken wehrt, wird Irland nicht mehr auf den grünen Zweig kommen. Die “Hilfen” von IWF und EU sind so hoch verzinst, dass sie das Problem eher noch verschlimmern. Irland ist ganz buchstäblich am Ar…
… und hofiert die Banker
Und jetzt ratet mal, wer völlig ungeschoren aus der Krise gekommen ist? Was denkt ihr, wie viel Banker in den Bau gegangen sind. Wie wurden die Leute bestraft, die damals die Bankengarantie eingefädelt haben? Was ist aus den blinden Regulatoren, verlogenen Bankvorständen und unfähigen Politikern geworden, die das Land in die Pleite getrieben haben.
Der ausgewiesene Finanzexperte und ehemalige Finanzminister Brian Cowen zum Beispiel ist nach wie vor Taoiseach, der damalige Finanzminister Brian Lenihan ist … Finanzminister, die Zahl der wegen Betrug und Verschleierung angeklagten Banker liegt bei Null, verurteilt: Null, ein paar Immobilienhaie hat es erwischt, die aber auch nur, weil sie ihre Kredite nicht mehr bedienen können. Wegen schattiger Deals ist jedenfalls keiner bestraft worden, egal wie viel Steuergeld dabei verbrannt wurde.
Vielleicht wird es ja noch. Wenn wir eines gelernt haben in der Krise, dann ist es ja, dass unsere weisen Herrscher zwar nicht sehr weise sind oder vorausschauend, kompetent oder auch nur gerecht, sie sind auf jeden Fall aber unpredictable und das ist ja schon mal was.
Deutschland ist auch nicht besser, nur reicher
Erinnert ihr euch übrigens noch an die Hypo Real Estate? Genau, die habt ihr in Deutschland mit 100 Milliarden oder noch mehr gestützt. Eine Bank, die zu ihren besten Zeiten einen Bruchteil dieser Summer wert war. Ratet mal, wo die das ganze Geld verloren hat? Die hatte nämlich eine Außenstelle.
Und was die Schuldfrage angeht; hätten Mitterrand und Kohl nicht im Hinterzimmer die Währungsunion ausgeschachert, hätte sich das Problem nie gestellt. Die politische Union muss halt vor der Währungsunion kommen, sonst klatscht man die Kleinen und Schwachen an die Wand. Quod erat Demonstrandum
Am Ende des Tages sind also die Deutschen Schuld und zwar in Person von Helmut Kohl. Dessen ultimatives Ziel war, in die Geschichte einzugehen. Dabei ging er halt auch über Leichen; seien das nun die demokratischen Ambitionen des deutschen Volkes oder die Länder der europäischen Peripherie. Zumindest ich werde ihm das nicht vergessen.