Unsere Rundreise geht weiter und endlich sind wir im hohen Norden von Irland. Hier geht mir wahrlich das Herz auf. Von Glencolumkille aus führt eine schmale Kapstraße in Richtung Ardara. Es ist ein mühsamer Weg aber er führt durch eine der allerfeinsten Gegenden der Grünen Insel. County Donegal hat wirklich alles, was sich das aufrechte Herz des wahren Irlandbegeisterten wünschen kann. Nach einer gefühlten Weltreise erreichen wir schließlich die N56 und halten uns links.
Der perfekte Strand
Kurz vor Ardara findet sich ein kleines, unscheinbares Schild, das auf einen Wasserfall und einen “Strand” verweist. Tatsächlich verwenden die Iren gern das Wort Strand anstelle des uns wohl eher vertrauten “Beach”. So unscheinbar das Schild sein mag, es verweist auf einen der schönsten Strände überhaupt.
Wir folgen der schmalen, gewundenen Kapstraße in der Hoffnung, dass uns niemand entgegen kommt. Mulmig ja, aber wir Irland Traveller kennen bekanntlich weder Schmerz noch Angst. Hier und da passieren wir ein paar Häuser, zu unser rechten erstreckt sich eine schmale Bucht, die uns schon ahnen lässt was da folgt. Plötzlich taucht aus dem Nichts der Wasserfall auf. Er beeindruckt uns eher nicht so: viel Höhe, wenig Wasser. Abschrecken lassen wir uns davon nicht und folgen der Kapstraße weiter bis wir zu einer kleinen Ansammlung von Häusern kommen und einem Parkplatz. Von hier aus geht es zu Fuß weiter.
Wohlgemut erklimmen wir die erste Düne und dann die nächste und dann ist er da: Vor uns liegt ein Paradies. Umringt von grünen Hügeln, feinsten Dünen aus weißem Sand liegt ein gigantischer Sandstrand mit allem was des Strandhasen Herz begehrt (außer Wärme). Es gibt perfekte Wellen die sich an einer vorgelagerten Sandbank brechen, sogar eine kleine Höhle zum Unterschlüpfen, es ist grandios. Was soll man dazu sagen? Es bricht einem das Herz, wenn man auf solche Pracht schaut und sich leise fröstelnd ein wenig enger in die Winterjacke kuschelt.
Es ist eine echte Schande; wir befinden uns so dicht an der Arktis, dass die Pinguine Pullis tragen und Mutter Natur in ihrer unendlichen Grausamkeit, mit ihrem fast schon diabolischen Sinn für Humor präsentiert uns mit diesem in fast jeder Hinsicht perfekten Strand. Gott, manchmal hasse ich Irland.
Rechts oder links, ich weiß es nicht
Unser nächstes Etappenziel Ardara liegt praktisch um die Ecke. Wir fahren die Kapstraße zurück bis zur N56 und wenden uns links. Der Ort ist eigentlich recht schmuck und verstrahlt den einmaligen Charme eines Kuhdorfs in der Pampa. Ich mag den Ort wirklich gern, allerdings sitzt uns der Schock von dem gerade erlebten noch so tief in den Knochen, dass wir schnellstens das Weite suchen.
Ob man von hier der N56 oder sich die R261 entlang arbeitet ist Geschmackssache. Beide treffen sich nach kurzer Zeit wieder. Unser nächster Orientierungspunkt ist Bunbeg. Bei Bunbeg starten die Rosses und hier beginnt ein echtes Dilemma. Es gibt zwei mögliche Touren von hier und ich kann mich nicht entscheiden, welche besser ist.
Die Tour an der Küste entlang ist spektakulär und irgendwie auch richtig cool, allerdings gibt es im Inland auch richtig viel zu sehen. Wenn ihr genug Zeit habt, macht Beides. Für heute entscheide ich mich mal für die Tour durch den County.
Mount Errigal
Donegal – und ich meine den County – ist etwas ganz Besonderes. Er ist herb, spröde, kalt, windig, nass und unglaublich schön. Selbst einem erfahrenen Irlandreisenden geht im hohen Norden der Insel nochmal richtig das Herz auf. Das fängt schon mit dem Mount Errigal nahe Bunbeg an.
Ich bin ja nun Norddeutscher und damit per Definition und von Natur aus nicht gerade ein Bergfetischist. Bei uns im Norden geht freie Sicht bis an den Horizont über alles und Berge stören da bekanntlich.
Für den Mout Errigal würde ich allerdings eine Ausnahme machen. Vor allem von Westen aus betrachtet strahlt dieser Berg eine Erotik aus, die sich nur schwer in Worte kleiden lässt.
Die Sache ist, dass er nicht aussieht als wenn er nach Irland gehören würde. Nix Hügel, nix grün; Farbe, Gestalt und auch sonst alles erinnern an einen richtigen Berg und so etwas gibt es hier sonst nicht.
Obwohl nicht übertrieben hoch strahlt er eine alpine Grazie aus, ohne wirklich furchteinflössend zu sein. In der Beziehung ist er so eine Art perfekter Berg für Flachlandtiroler wie mich. Ich würde es fast mit Liebe auf den ersten Blick beschreiben wollen. Bevor ich hier jedoch anfange zu romantisieren, breche ich lieber ab. Ansonsten laufe ich Gefahr, mir meinen guten (schlechten) Ruf zu ruinieren. Schnell aufs Gas und weiter geht’s.
Glenveagh Nationalpark
Wir folgen der N56 bis zum Abzweig R251 und folgen dann letzterer bis zum Glenveagh National Park. Dabei handelt es sich um einen ganz besonderen Flecken. Er erstreckt sich – ganz grob gesprochen – um den Lough Beagh. Hier gibt es ein ganz fesches Besucherzentrum und ein ganzes Ende weiter ein kleines Schlösschen. Das wäre alles gar nichts ohne jede Menge Gegend außenrum und auch davon hat der Park reichlich. Wichtigstes Untensil ist in diesem Fall allerdings nicht die Kamera oder ein Fernglas sondern eine möglichst fiese Moskitoabwehr.
Diese kleinen Plagegeister plagen und geistern in rech stattlicher Anzahl in der Gegend und haben im allerschlimmsten Fall Potenzial, einem die ganze Sache etwas zu verübeln. Ansonsten ist es aber wirklich schick hier und mit etwas Glück seht ihr auch nicht-fliegendes Getier mit vier Beinen und Fell, also ganz so wie Gott es wollte.
Vom Glenveagh National Park gibt es wiederum zwei mögliche Routen. Man kann der R251 folgen, auf die R255 und dann links auf die N56 oder aber vom Park aus links zurück zur N56 und da dann rechts. Letztere ist deutlich kürzer, zumindest wenn ihr dem besten Rat folgen wollt, den ich im Zusammenhang mit Irland Rundreisen überhaupt geben kann. Wir wollen nämlich nach Magheroarty.
Nun wird das wahrscheinlich nur eingefleischten Auskennern was sagen, ich sage euch aber gleich warum wir dahin wollen.
Der letzte König von Irland
Wir folgen also der N56 bis zur R257 und da links ab. Bis nach Magheroarty ist es dann nicht mehr weit und was wir an der Stelle schon mal festhalten können, ist der geniale Blick. Was uns noch auffällt ist, dass der Ort aus nichts außer ein paar Häusern auf einer Art hohen Düne und einem Hafen. Genau da wollen wir aber hin, unser nächstes großes Etappen ziel ist nämlich die Insel Tory, wo der letzte König von Irland regiert.
Das könnt ihr jetzt glauben oder nicht, aber auf Tory regiert ein waschechter König. Seine Name ist Patsy Dan Rogers und er ist ein Monarch vor dem zu Knien unüblich sein mag, einem vermutlich aber nicht schwer fallen würde. Wir mögen Patsy und er mag Deutschland, weil da hat er mal ein Konzert gegeben (in Düsseldorf – dem längsten Thresen der Welt – wo auch sonst) und war sehr angetan von der Begeisterung, mit der man ihn dort empfing.
Patsy hat es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Besucher persönlich auf der Insel zu begrüßen. Das ehrt ihn, allerdings scheitert er öfter mal an der Pünktlichkeit. Ist ja auch nicht so einfach. In seinem mächtig gewaltigen Königreich – die Insel Tory ist knapp 4 Kilometer lang und an manchen Stellen sicher 1 Kilometer breit) kann man sich schon mal mit der Zeit verschätzen. Wahrscheinlich ist er sauer, dass es nur eine Straße gibt, die Nummer mit dem Verfahren würde ihm also keiner glauben.
Patsy begrüßt nicht nur die Besucher persönlich, sondern versucht auch sein Bestes, Besuchern, die die Nacht verbringen, aufs Feinste zu unterhalten und idealerweise auch tüchtig abzufüllen. Das kann er gut, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. Mit Patsy ist also gut Kirschen essen, er ist aber nicht der einzige Grund, warum ihr euch nach Tory begeben solltet.
Tory Island – Mehr Irland geht nicht
Die Insel ist abgelegen und vielleicht auch etwas seltsam, vor allem aber ist sie wunderschön, mit tollen Anekdoten, wunderschönen Klippen, vielfältiger Vogelwelt, unterhaltsamen Bewohnern und tollem Abendprogramm. So gibt es hier einen ganz besonderen Tanz, der so nur hier auf Tory aufgeführt wird.
Zudem – und das wird euch jetzt sicher nicht überraschen – spielt der König in einer Band. Selbige spielt an den Wochenden royal zum Tanz in der zum königlichen Hotel gehörigen Schänke auf.
Neben der königlichen Schänke gibt es – man braucht ja auch mal etwas Abwechslung – noch ein zweites Pub auf der Insel (wo übrigens auch der Bär steppt) und ein richtiges kleines Restaurant. Zu dem sollte ich vielleicht aber noch sagen, dass es eher eine Imbißbude ist und sich das Essen an lokalen Geschmäckern orientiert. Sie scheinen zwar auch immer etwas im Angebot zu haben, was nicht “deep fried” ist, aber die Auswahl ist sehr begrenzt und die Preise sportlich. Wenn ihr auf so etwas nicht steht, solltet ihr euch Schnittchen mitbringen.
Planung ist alles
Im lokalen Hostel Teach Bhillie zum Beispiel kann man die Küche mitbenutzen. Das kann viel Wert sein. Ich perönlich kann frittiertem Essen nichts abgewinnen und so gesehen, war ich ganz froh, dass das einzige Alternativgericht Brathahn war. Den mag ich nämlich. Ein Kumpel von mir hat aber zum Beispiel eine Geflügelallergie, der wäre also aufgeschmissen gewesen und hätte sich an frittierte Fritten halten müssen. Würg!
Tory mag euch vielleicht etwas skurril vorkommen, ich denke aber, dass dies durchaus gewollt ist. Auf meiner nur nach unten offenen Bärensteppskala kriegt Tory 10 von 10 möglichen Punkten und ist damit wärmstens empfohlen. Erkundigt euch vorher nach dem Wetter. Bei Sturm ist Tory manchmal wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten. Wenn ihr das Glück habt, Tory an einem sonnigen Tag zu sehen, werdet ihr mir auf Knien für meine Reiseempfehlung danken. Soviel kann ich versprechen.
Kleiner Nachtrag: Patsy Dan Rogers, der letzte König von Tory ist leider 2018 gestorben und bisher gibt es keinen Nachfolger.
Wie ihr auch an dieser Stelle sicher denken könnt, ist dies nicht der letzte Teil der Rundreise. Tut mir sehr leid, dass es sich so zieht. Ich hoffe, ihr könnt mir nochmal vergeben. Wenn es um meinen geliebten Norden geht, da gehen mir – im Sinne der Pferde – schon mal die Tasten durch. Ich denke mal, dass wir im nächsten Teil dann aber tatsächlich zum Abschluss kommen. So viel steht nicht mehr aus.